Und weiter geht’s in der Reihe „Tolle Comics von Frauen“. Hier ist Teil 1 zu finden.
Der Comic California Dreamin‘ ist einer der wenigen, die ich mir gekauft habe – einfach weil ich nicht abwarten konnte, bis unsere Bibliothek ihn irgendwann einmal anschaffen würde. Es hat sich absolut gelohnt! Pénélope Bagieu (* 1982 in Paris) zeichnet die Geschichte der Sängerin Cass Elliot, die mit den The Mamas & the Papas berühmt wurde. Ihr singt schon, oder? All the leaves are brown and the sky is grey … träller …. Die schwarz-weiß Zeichnungen wirkten auf mich auf den ersten Blick fast flüchtig hingekritzelt, bisschen krumm und schief und mit energischem Strich (so dass eine fast meint, die Furchen des Bleistifts im Papier zu sehen), und die krakelige Schreibschrift in den Sprechblasen war ungewohnt. Aber schon nach wenigen Seiten fand ich den Stil absolut bezaubernd und ich konnte das Buch nicht mehr zu Seite legen. Unglaublich, wie viele Emotionen Bagieu mit ihren Zeichnungen ausdrücken kann – ich war an mehreren Stellen laut am Lachen und teilweise ziemlich gerührt. Die Geschichte von Cass, die von Jugendjahren an ein Faible für Gesang hatte und das Ziel verfolgte, berühmt zu werden, ist kapitelweise aus Perspektive unterschiedlicher Personen erzählt, die in ihrem Leben wichtig waren. Eins muss übrigens kein The Mamas & the Papas-Fan sein, um sich von dem Comic und seiner Hauptfigur Cass begeistern zu lassen. Eine schöne Besprechung und ein Interview von Cass kurz vor ihrem frühen Tod findet ihr hier.
Parsua Bashi (*1966 in Teheran) zeichnete Nylon Road während ihrer Jahre in der Schweiz, wo sie von 2004-2009 lebte. Sie wird nicht wirklich heimisch dort und verfällt nach anfänglichem Enthusiasmus in tiefe Depressionen. Ihre früheren Ichs beginnen aufzutauchen, als sechsjähriges Mädchens, als Studentin, als Ehefrau. Sie beginnt, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, mit ihrer eigenen Vergangenheit, wie sie in Teheran Kunst studierte, sich früh und überstürzt mit einem Arbeitskollegen verheiratete und in einer gewalttätigen und unglücklichen Ehe landetet. Wie sie sich scheiden ließ und ihre Tochter nach einem Rechtsspruch der Mullahs nicht mehr sehen durfte. Sie erzählt vom Leben in Teheran, vom Regime der Mullahs, der Unterdrückung der Frauen und ihrem zeitweise äußerst „patriotischen Selbst“. Sie streitet sich mit ihren früheren Egos über ihr „dekadentes Leben“ im Westen, über Politik, Islam, Islamfeindlichkeit und historische Ignoranz des Westens (wenn in Modezeitschriften z. B. ein „Colonial Girl“ abgebildet wird) und über ihre alten und neuen Überzeugungen. Mir hat der (teilweise etwas arg textlastige) Comic sehr gut gefallen. Er ist klar gezeichnet und sparsam in Grau- und Brauntönen koloriert. In all ihrer Verzweiflung und angesichts der harten Geschichten, die sie erlebte, scheint durch, was für eine mutige und starke Frau Bashi sein muss. 2009 kehrte sie in den Iran zurück, laut Wikipedia arbeitet sie dort als Grafikdesignerin. Ihre schweizerische Website ist nicht mehr online – und den Comic gibt es leider auch nur noch Second Hand bzw. in der Bücherei.
In Das Erbe von Rutu Modan (*1966 in Tel Aviv) reist die 90jährige Regina mit ihrer Enkelin Mika von Israel nach Warschau, um die Wohnung ihrer Eltern, die sie während des Zweiten Weltkrieges verlassen mussten, zurückzufordern. Zumindest ist das das vordergründige Ziel der Reise. Tatsächlich verfolgt Regina heimlich ganz andere Pläne, während ihre zunächst ahnungslose Enkelin den Erbfall recherchiert. Und dann gibt es noch Avram, der scheinbar zufällig bereits im Flugzeug auftaucht und die beiden Frauen auf Schritt und Tritt verfolgt. Aber ich will hier nicht spoilern, das wäre schade. Der Comic ist klar und klassisch gezeichnet und coloriert (huhu Tim&Struppi!) und streckenweise ausgesprochen witzig, trotz des berührenden und ernsthaften Themas. Und er macht auch wegen seiner äußerst dickköpfigen Protagonistinnen großen Spaß zu lesen.
Last but not least noch ein Comic von Zeina Abirached (*1981 in Beirut). In „Ich erinnere mich“ sammelt Abirached ausschnitthaft kleine und große, schöne und schmerzliche Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend in Beirut während des Krieges. Das schmale Bändchen ist schnell durchgelesen und eine schöne Ergänzung zu ihrem ebenfalls autobiografischen Comic „Spiel der Schwalben“, den ich letztes Mal schon vorgestellt hatte. Es ist im gleichen Stil - schwarzweiße, ornamentreiche, statische Zeichnungen, die wie Linolschnitte wirken - gezeichnet, der mir sehr gut gefällt.
Ich kenne zwar keinen der drei GNs, aber Pénélope Bagieu hat mich mit “Wie ein leeres Blatt“ schon überzeugt. Wahrscheinlich werde ich auch in California Dreaming mal reinlesen.
ich möchte ALLES von ihr lesen :-)