Nachdem wir letztes Jahr völlig begeistert vom Familienausflug zum Chaos Communication Congress waren, machten wir uns auch dieses Jahr wieder am 2. Weihnachtsfeiertag mit K1 (24) und K2 (4) auf den Weg. Wir holten uns noch am Abend von Tag0 die Eintrittsbänder, um lange Warterei am Eingang zu vermeiden. Dachten wir zumindest. Wir hatten nämlich nicht mit der kleinen Horde elektronischer Weihnachtsmänner im Eingangsbereich gerechnet, die Seifenblasen machten und schreckliche Lieder grölten und die Aufmerksamkeit von Kind2 völlig absorbierten. Es war erst wegzubekommen, als es eine der Figuren mitnehmen durfte*.
Kidspace
Dank der Vorjahreserfahrung war unsere Orientierung deutlich besser und wir konnten schnurstracks unser erstes Ziel anpeilen, das - natürlich - der Kidspace war. Schließlich ist für das nun 4jährige Kind der Congress gleichbedeutend mit „Kidspace“ („Wann gehen wir endlich wieder zum Kidspace????“) und es hatte so seine Erwartungen, die da hießen: Bällebad und Duplo. Viel Duplo. Tonnenweise Duplosteine. Ein ganzer Berg von … So wie im letzten Jahr halt. Und auf dem CCCamp. Das Problem war nur: Es gab keins. Den ersten Abend vertrösteten wir das Kind noch auf den nächsten Tag, doch nach und nach sickerte die Info durch, dass es - aus welchen Gründen auch immer - kein Duplo geben werde. Erklären Sie das mal einem 4jährigen … genau!
Aber dank eines schnell gefundenen neuen Freundes ähnlichen Kalibers war auch das Kind2 irgendwann getröstet. Und es gab ja noch das große Bällebad. Und viel Platz zum Rumtoben. Und eine Landschaft aus Sand, verschiedene (Computer)Spiele, Bastelaktionen, eine kleine Kletterwand und diverse Workshops** für Kinder. Supertoll war der Malroboterworkshop, in dem das Kind nach einer sehr netten Einführung weitgehend selbstständig einen kleinen Roboter, angetrieben von einem Milchschäumer und mit 3 Filzstiften als Beinen, baute. Das Ding funktionierte wunderbar und war im Kidspace danach ein derartiger Renner, dass sich eine Traube Kinder um K2 herum bildete, die alle gucken und anfassen wollten. Nach einer Stunde Dauerbetrieb auf dem wunderbaren Teppich (natürlich waren die Deckel auf den Stiften drauf!!!!!) und Dauergetatsche der Kinder, gab es allerdings dann doch den Geist auf.
Dass es den Kidspace gibt und sich Leute darum kümmern, ist grandios. Es ist ein wunderbarer Ort, um ein bisschen abzuhängen und mit anderen Eltern zu quatschen. Mir wurde erst in diesem Jahr so richtig klar, wie self organized der Kidspace ist. Duplo und Eisenbahn wurden z. B. wohl über die Jahre immer privat von jemand mitgebracht und gehören nicht zum Inventar des ccc. Für das nächste Jahr ist für uns als Eltern klar, dass wir uns mehr einbringen werden. Wir vermissen eine Malecke? Dann müssen wir sie über die Mailingliste mitorganisieren. Wir finden eine Stelltafel sinnvoll, auf der die tollen Workshopangebote angekündigt werden können? Same procedure. Und wie lösen wir das mit den 10.000 Duplosteinen?
Vorträge
Der Mann und ich haben uns wieder abgewechselt in der Kinderbetreuung. Genau genommen haben wir als Familie auf dem 32c3 überhaupt nichts zusammen gemacht, sondern uns lediglich die Klinke bzw. K2 in die Hand gegeben. In meiner freien Zeit zog ich meist mit K1 durch das Gebäude und war in einigen Vorträgen. Es gab wieder eine breite Palette an technischen und politischen Themen. Meine Highlights waren:
- Crypto ist Abwehr, IFG ist Angriff! von Arne Semsrott über das Informationsfreiheitsgesetz
- Intelexit von Gloria Spindle vom Peng! Collective über ein Aussteiger*innenprogramm für Angehörige von Geheimdiensten (engl.)
- Katastrophe und Kommunikation von Sebastian Jünemann. In Katastrophengebieten wird auch 2015 hauptsächlich noch über Zettel und Stift kommuniziert. Ein sehr sehr spannender Bericht zum Zustand u.a. in Syrien und möglichen Lösungen.
- What does Big Brother see, while he is watching. Simon Menner hat aus Stasiarchiven erstaunliches Fotomaterial ausgegraben (engl.)
Alle Vorträge wurden wieder aufgezeichnet und können hier angeschaut werden. Das Theaterstück Asyldialoge (leider nicht aufgezeichnet) war übrigens auch sehr gut, lief leider aber erst nach Mitternacht - und selbst mit viel Mate stand ich es nicht ganz durch, dafür waren die Sessel zu flauschig, der Saal zu dunkel zzzzZZZZ
Der große Rest
Eigentlich sind die Vorträge nur ein kleiner Teil des Congresses. Es gibt noch 1000x andere Dinge zu sehen, zu tun, zu genießen. Vom Cocktailroboter über Stickmaschinen, 3-D-Druckern, Infoständen, selbst organisierten Workshops, Podcasts beim Sendezentrum bis hin zur legendären Partyhölle (auch Lounge genannt), einer riesigen Halle, in der eine grandiose Installation mit Lasershow sowie etliche Wohnwagen mit Bars aufgebaut waren. K1 und ich verbrachten eine Nacht dort feiernd und tanzend zu ziiiiemlich lautem Techno. Und es gibt natürlich 12.000 potenziell interessante Menschen, mit denen eine ins Gespräch kommen könnte.
Auch für Verpflegung war versorgt. Crepes, Pommes, veganes Essen, alles da. Ein prima Tipp war übrigens die Fressmeile auf der Sternschanze, die nur eine S-Bahnstation entfernt liegt und wo eins sehr gut arabisch, türkisch, indisch … essen gehen kann. Obligatorisch ist natürlich das Matetrinken. Am 4. Tag hatte ich so viel Mate intus, dass mich die Dosis noch über Silvester rüberrettete.
Der Teppich
Irgendeins twitterte im Vorfeld sinngemäß, dass ein Großteil der Vorbereitungszeit doch sicher für die Verlegung des tollen Retrotreppichs im ganzen CCH draufgehe. Aber echt jetzt! Der Teppich ist super, er dämmt viele Geräusche und trägt zur Gemütlichkeit der ganzen Veranstaltung bei. Es wird sicher schwer, einen würdigen Nachfolge-Veranstaltungsort für 2017 zu finden.
Fazit
Ich fand den 32c3 insgesamt wieder sehr schön und inspirierend, wenn auch nicht ganz so flashig wie beim ersten Mal (normal vielleicht) und deutlich anstrengender. Das kleine Kind, das keinen Mittagsschlaf mehr machte, war manchmal etwas überreizt und mir selbst war manchmal eher nach Höhle als nach Massenevent zumute - allerdings hatte das nichts mit dem Congress zu tun.
Es ist fast unglaublich, wie friedlich, respektvoll und freundlich so viele Menschen auf relativ engem Raum sein können. Ich selbst habe nichts Blödes selbst erlebt oder mitbekommen (was nicht heißt, dass es das nicht gibt. Aber offensichtlich nicht so geballt wie bei sonstigen Menschenansammlungen). Die auf dem Congress gepflegte Kultur macht ihn zu etwas ganz Besonderem und sehr Inspirierendem! Kein Wunder, dass viele danach einen gewissen Realitätsschock erleiden.
Ich nehme jedenfalls eine Menge Anregungen und nette Begegnungen mit und freue mich auf den 33c3.
Hier ein paar Impressionen in gewohnt schlechter Handyqualität:
*wir haben sie aus Versehen bei unserer Gastgeberin stehen lassen. oO. Das war keine Absicht. Ganz ehrlich!!
** Für viele Angebote war K2 natürlich noch etwas zu klein - da freue ich mich auf die kommenden Jahre. Das Nuf hat ausführliche Berichte über den 32c3 mit etwas größeren Kindern (>6) geschrieben.
Genau so ist es uns auch gegangen. Die Duplos waren letztes Jahr der Hit und auch wir waren etwas enttäuscht als sie nicht da waren. Ehrlich gesagt hab ich mich bisher aber auch nicht um irgendwelche Orgasachen gekümmert. Das sollte sich ändern, und wenn man nur Ideen für den Kidspace einbringt. Eine Mal- oder Bastelecke wäre auf jeden Fall toll. Schön wäre es eigentlich auch wenn sich Elterngruppen zusammenfinden könnten, die sich beim Beaufsichtigen der Kids abwechseln, so dass man mal mit dem Partner zusammen über den Congress schlendern kann.
Viele Grüße, wir sind uns bestimmt am Bällebad über den Weg gelaufen :)