Sommerzeit - Bücherzeit, schreibt Momatka, und erinnert sich an lange Sommer, die nur dem Lesen gewidmet waren. „Ja, das war einmal. Und schön war es … Statt fauler Tage auf dem Balkon zu schmökern, heißt es nun Spielplatz, Schwimmbad, Zoo (oder Arbeiten!!)“. Ich erinnere mich auch noch verschwommen an die Zeiten, in denen ich wochenends oder in den Ferien auf dem Sofa lag und ein Buch nach dem anderen wie im Flow in mich hineinsaugte. Aufstehen nur, wenn der Tee alle war oder die Blase drückte. Ansonsten las ich, was das Zeug hielt. Ja, das ist sehr lange her.
Mit Kind1, ich war 20, waren die ausgiebigen Leseorgien erst einmal vorbei. Lange Zeit maß ich das Zurückgewinnen von Freiräumen daran, wie viel ich wieder am Stück lesen konnte. Ohne dass ich ständig wegen „Rabbäääh, mir is langweilig, ich hab Durst, Maaaamaaaa, AAAAAAUAAAA“ vom Sofa musste. Es dauerte ein paar Jahre, aber die Lesefreiheit kam wieder. Es gab Urlaube, in denen Kind1 und ich stundenlang auf irgendeinem Handtuch am Strand lagen, unter einem Sonnenschirm aus zerfetzten Palmwedeln, und ein Buch nach dem anderen inhalierten. Meistens nahm ich mir ein paar Krimis mit und 1-2 fette Wälzer, die im Alltag keine Chance gegen die herabfallenden Augenlider am Abend hatten.
Es kamen mit den Jahren die Zeiten zurück, in denen ich am Wochenende morgens schlaftrunken in die Küche schlappte, einen Kaffee machte und zurück ins Bett zog, um mein Buch weiterzulesen. Das Kind schlief eh bis in die Puppen und war froh, nicht geweckt zu werden.
Mit Kleinkind2 sind die Lesezeiten nun wieder äußerst limitiert. Abends im Bett schaffe ich oft gerade so 4 Seiten, bis mir das Buch auf die Nase kippt, ich kurz aufschrecke und das Licht lösche. Am nächsten Abend lese ich zwei davon noch einmal in der festen Überzeugung, sie noch nie zuvor gelesen zu haben. Leider führt das dazu, dass ich nur bedingt mitkriege, ob die gelesene Literatur nun eine anspruchsvolle welche ist oder nicht. Ich bin froh, wenn ich der Story folgen kann.
Ich lese meistens das, was mir über den Weg läuft - nach dem Überraschungseiprinzip - und das geht so:
1. Ich finde Bücher in Verschenkkisten auf der Straße. Davon gibt’s bei uns in der Gegend ziemlich viele.
2. Ein kleiner alternativer Buchladen hier im Ort hat draußen immer eine Kiste mit reduzierten Büchern stehen. Da sind meistens Sachen dabei, die nicht besonders mainstreammäßig sind.
3. Ich bekomme Bücher von Freund*innen geschenkt oder geliehen.
4. Ich habe sie seit Urzeiten im Regal stehen.
5. Neu gekauft habe ich mir in letzter Zeit nur Sachbücher. „Darm mit Charme“ von Giulia Enders oder „Selbst denken“ von Harald Welzer, die ich beide sehr empfehlen kann.
Die Bücher suche ich meistens so ähnlich aus, wie ich Wein kaufe: Mir müssen Titel und Umschlag gefallen. Peinlich, aber wahr. Dann lese ich noch die ersten paar Sätze der ersten Seite. Wenn das ok klingt, nehme ich es mit bzw. entscheide mich dafür, es zu lesen. Den Umschlagstext lese ich eigentlich nie. Mich nervt, dass dort oft schon wesentliche Inhalte verraten werden (besonders bei Krimis höchst ätzend) oder irgendwelche Lobhudeleien zu finden sind. Ich lese diese Texte nur ganz am Schluss, wenn ich mit dem Buch fertig bin. Meistens bin ich froh darüber. Auch Buchbesprechungen und Kritiken lese ich immer erst hinterher. Ich lasse mir sehr gerne Bücher empfehlen, allerdings reichen mir das Genre und ein „ich fand es gut geschrieben“ oder „mich hat die Geschichte berührt“. Ich mag keine Details über den Inhalt wissen.
Das Schöne daran ist, dass ich meistens nicht weiß, was auf mich zukommt. Das Buch ist wie eine Überraschung. Es kann der totale Schrott sein. Es kann eine Perle sein. Es kann so lala sein. So habe ich in letzter Zeit z. B. „Die Kippwende“ von Jenifer Levin gelesen. Die Beschreibung der (Frauen)Figuren und die Sprache haben mir sehr gut gefallen. Oder “Die Tochter meines Vaters“ von Mareike Krügel. Das fand ich etwas skurril, ein bisschen faszinierend und ein bisschen „naja“. Oder „Bilder einer Ex“ von Jean-Luc Benoziglio. Ich mochte die etwas verschlungenen Gedankengängen des Protagonisten und die Sprachbilder ebenfalls sehr. Derzeit lese ich vor allem Regalhüter, also Bücher, die schon lange bei mir herumstehen. Zuletzt war das „Der Vorleser“ von Berhard Schlink und aktuell „Der Büßer“ von Isaac B. Singer.
Wenn mir ein Buch so ganz und gar nicht gefällt, quäle ich mich nicht durch. Dafür ist mir die Zeit zu schade. Wenn ich das Gefühl habe, dass das Buch nicht zu meiner derzeitigen Stimmung passt, an sich aber lesenswert sein könnte, hebe ich es auf, um es später noch einmal zu versuchen. Das kann viele Jahre später sein. So kommt es, dass in meinem Regal sich noch so das eine oder andere ungelesene Buch befindet.
Die Bücher in meinem Regal stehen wild durcheinander. Nichts ist alphabetisch oder thematisch geordnet. Nicht mehr. Sachbücher stehen neben Romanen, gelesene neben ungelesenen. Es sind überschaubar viele, ich weiß in der Regel, wo welches steht.
Früher hatte ich drei fette Regale vollgestopft mit Büchern. Bücher waren für mich Fetische. Ich habe keine Eselsohren reingemacht, nichts reingeschrieben, man hat kaum bemerkt, wenn ich eines gelesen hatte. Sie standen ordentlich nach Genre und Autorin geordnet im Regal. Ich war damals völlig entsetzt, als mir meine Tante erzählte, sie lasse gelesene Bücher einfach im Zug oder auf der Parkbank liegen und hoffe, es nehme jemand sie mit und lese sie. Das war unvorstellbar für mich. Inzwischen, viele Jahre später, gebe ich auch fast alle gelesenen Bücher weiter. An meine Mutter, eine Freundin, die Schwester oder ich stelle sie wieder auf die Straße. Ich habe rigoros ausgemistet und kistenweise Bücher verschenkt. Auch ungelesene - diese Berge an „must-read-Büchern“, die wie eine ständige Mahnung dumm herumstanden. Weg damit. Ich habe sie nie vermisst. Es gibt nur sehr wenige Bücher, die einen Ehrenplatz im Regal erhalten. „Wenn ich einmal groß bin“ von Jose de Vasconcelos ist eines davon. Weil ich jedes Mal heulen musste, wenn ich es las. Und das Kind1 auch. „Die Grasharfe“ von Truman Capote, weil es so schön ist. „Die Töchter Egalias“, weil ich nostalgisch bin. Die Feuchtwangers, weil ich sie vielleicht noch einmal lesen möchte. Und einige der Fach- und Sachbücher.
Mich hat schon lange kein Buch mehr komplett vom Hocker gerissen bzw. auf dem Sofa festgenagelt. Das liegt vermutlich aber zum Großteil daran, dass ich die Zeit für einen kompletten Bücherflow gerade nicht habe und mich in den wenigen Vorschlafminuten nicht genug auf ein Buch einlassen kann. Das vermisse ich. Ich liebe es, in einem Buch komplett zu versinken. Es zu verschlingen. Und gegen Ende immer langsamer zu lesen, damit ich noch ein bisschen länger was davon habe. Aber die Zeiten kommen auch wieder. Vielleicht liege ich dann irgendwann mit Kind2 & Kind1 auf einem Badetuch am Strand und wir verschlingen gemeinsam unsere Urlaubslektüre.
Und wenn ihr mir potenzielle „Flow“-Bücher empfehlen könnt: gerne!!! Nur nicht zu viel darüber verraten bitte!
Ach ja, in dem Text finde ich mich wieder! Ich freue mich sehr darauf, mit meiner Krabbe gemeinsam zu lesen - alleine komme ich immerhin seit der Trennung vom Papa dazu, wenn er das Kind hat, und im Zug. Ein Vorteil des Extrem-Pendelns! Bei mit ist die Hauptquelle die Stadtbücherei (auch für Zeitschriften) , seit Neuestem auch mit Kind in der Kinderecke. Da staut sich dann gar nix an.
Falls du auch Krimis magst: Fred Vargas und Tana French sind toll. Eher krimi-untypisch, finde ich, aber immerhin sind Kriminalfälle die tragende Storie in den Büchern, und ich habe sie verschlungen. Ms French sogar auf englisch, das ging ganz gut.
Danke!! Fred Vargas mag ich gerne! Ich glaube, ich habe alle ihre Bücher gelesen. Tana French noch nicht, vielen Dank für den Tipp! (Stadtbib finde ich an sich auch toll, da war ich früher mit Kind1 oft. Da ich selten in die Innenstadt gehe, hat sich das ein bisschen verloren)
Ich erkenne mich auch wieder. Vor einigen Jahren habe ich in einem Anfall vom ich-fühle-mich-erschlagen-von-den-vollen-Bücherregalen auch ausgemistet. Heute stehen da zwei, zu Dreiviertel gefüllt und werden nicht mehr wirklich mehr. eReader sei Dank. Ich habe mich lange dagegen gewehrt, und dann bekam ich einen zu Weihnachten geschenkt, und … i love him. Das letzte Buch, dass mich echt berührt hat, war: 600 Stunden aus Edwards Leben. Irgendwann mal runtergeladen und vergessen gehabt und dann erfreut festgestellt, was für ein Schatz das ist. Ansonsten lese ich auch alles, was mich anspricht. Dazu gehört nunmal ein schöner Titel ;-), möglichst weit weg vom Mainstream und was gar nicht geht, ist Click Lit.
Was ich am eReader liebe, ist, dass ich seitdem noch experimenteller lese. Gibt ja viele kostenlose eBooks und viele für 1-3€. Sehr viel Schrott dabei, da löscht man vieles nach drei Seiten wieder, aber ich habe da schon ein paar richtig tolle bei gehabt, die ich sonst nie gelesen hätte.
Danke dir für den Buchtipp (jippii, kenn ich nicht!). Genau, experimentelles Lesen! Es sind immer wieder so tolle Sachen dabei, die ich beim Lesen nach Bestsellerlisten wohl völlig versäumt hätte.
„Shantaram“ von Gregory David Roberts - Genre: dicker Wälzer; Inhalt: selbsterlebte Abenteuer; Ort: Indien.
Ich lese übrigens am Ende immer schneller, weil ich uuunbedingt wissen will, wie es aufhört - nix da mit „so lange wie möglich was davon haben“.
Super, vielen Dank!!!
(Jaaa, ich will auch unbedingt wissen, wie es ausgeht, gleichzeitig will ich aber nicht, dass das Buch aufhört. Es ist ein Dilemma!)
Ich habe über Twitter & FB & hier tolle Leseempfehlungen bekommen, die ich mal an euch weitergeben möchte!!! Alles potenzielle „Flow-Bücher“, in Klammern die Empfehlerinnen. DANKE!!!
Die geheime Geschichte
(@heike_land)
600 Stunden aus Edwards Leben
(Jane Blond)
Palacio Raquel J.: Wunder
Freund Rene: Liebe unter Fischen
Winter Claire: Die Schwestern von Sherwood
(@FlohsTante)
Fred Vargas und Tana French (von Vargas kenne ich schon alles ) (jongleurin)
“Shantaram” von Gregory David Roberts
(dorothy_jane)
Rike Drust: „Familiensafari“
(Mama hat jetzt keine Zeit)
Liebe Cloudette,
Du hast es jetzt auch geschafft, mich zu einem Blogpost anzustiften :-)
Ich erlaube mir, darauf zu verlinken http://wp.me/p4wwzT-4U
Übrigens: Bücher wegzuwerfen/wegzugeben gelingt mir nicht, ich hebe alle auf. Notfalls in Kartons im Keller. Irgendwie erscheinen sie mir zu wertvoll, da sie ja irgendwie auch etwas über mich und mein Leben aussagen. Wenn meine Kinder oder vielleicht sogar Enkel mal auf das Regal schauen, dann sehen sie: Das hat meine Mutter/Oma mal gelesen. Und sie werden dann, sollten sie zugreifen, auch etwas über mich erfahren, davon bin ich fest überzeugt.
Danke, liebe MrsCgn, freue mich sehr über deinen Text! (Komisch, dass er nicht sowieso als Pingback ankam?). Der Gedanke, ein bisschen was über die Bücher an die Nachkommen weiterzugeben, ist schön! Ich bin da allerdings durch die Großeltern, die tonnenweise Bücher hinterlassen haben, mit denen ich nichts anfangen konnte, ein gebranntes Kind. Ein paar Sachen hebe ich schon für die Kinder auf, wie das oben erwähnte „Wenn ich einmal groß bin“ (wobei Kind1 sich das inzwischen auch selbst besorgt hat). Ich finde es sehr spannend, wie viele verschiedene Herangehensweisen es da so gibt!
Ich muss mir irgendwie einen Link hierher setzen, damit ich mir Buchtipps abholen kann ;-) Tolle Sache.
Was die Erfahrungen angeht: Ich habe von meinen Großeltern nix an Büchern bekommen, und auf die meiner Eltern freue ich mich teilweise schon jetzt, weil es sehr schöne gebundene Ausgaben sind. Nur: Meine Eltern sind gerade mal 20/25 Jahre älter als ich, profitieren werden also eher meine Mädels. Mal sehen, wie sie das dann für sich bewerten.
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