Kränkelndes Kind und gekräuselte Nerven

Verklebte Wimpern, verrotzte Nase, glasige Augen, die Lider auf Halbmast - ok, das war wohl nichts mit der Spontanheilung über Nacht. Das Kindchen ist krank, ganz und gar nicht Kita-tauglich, es bleibt heute zu Hause. Und ich mit ihm, die letzten beiden Male hat schließlich der Papi übernommen. Letzterer wird aus dem Haus geschickt, geh’ in einem Café arbeiten oder sonstwo, unsere Wohnung ist zu klein für ein kränkelndes Kind, eine zart genervte Mami und einen selbstständigen Papa, der in unserem absurd teuren Städtchen noch immer kein externes Büro gefunden hat.

Das arme kleine Kind leidet. Aber anders, als ich es von Nr. 1 kenne. Das blieb einfach einen Tag im Bett, schlief, schwieg und schmorte innerhalb von 24 Stunden die Viren und Bakterien weg. Kind 2 nicht. Das will  nicht schlafen, will nicht liegen, will nicht sitzen, will nicht Buch angucken, will nicht spielen, will nicht kuscheln, will nicht nichts etc. pp. usw. usf. Es hat sich auf einen dauernöligen Ton eingeschossen, so eine Art “aaaaaahhhhhh”, bei dem sich sämtliche meiner Nerven zu einem Klumpen zusammenkräuseln. Nur unterbrochen durch wütende “Neeeeein”s, die im Vergleich dazu fast eine Erholung darstellen.

Als das arme kleine kranke Kind endlich schläft, nach 243 Versuchen und einer Runde mit dem Buggy um den Block (der Kinderwagen hat seit Tagen einen Platten. Könnte den mal bitte jmd. aufpumpen?), bleibt mir nur ein tiefes “uff”.

Ich lerne das Büro doch wieder ganz neu zu schätzen heute. Uff uff uff.

(Frau Frische Brise äußert ähnliches, mit 2 halb-kranken Kinder und einem Frischling zu Hause. Wobei - ob ich das in 20 Jahren vermissen werde? Eher die chaotisch-unkranken Tage wohl.)

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Der Panzer gegen alltäglichen Sexismus. Es reicht!

Ein freier Tag heute, Kind2 ist in der KiTa, meine to-do-Liste liegt irgendwo. Und nun sitze ich seit Stunden hier und starre auf Twitter. Habe noch nicht einmal die Schlafklamotten ausgezogen. Beobachte die Tweets wie das Kaninchen die Schlange. Unter dem Hashtag (Schlagwort) #aufschrei twittern seit heute Nacht hauptsächlich Frauen über alltäglichem Sexismus, schildern Übergriffe, machen ihrer Wut Luft.

Im ersten Moment dachte ich, dass ich da nichts beizutragen habe, meine eigenen Erfahrungen der krasseren Art liegen ein Weilchen zurück: angegrabscht werden, offen anzügliche Angebote, bedrohliche Momente.  Beim Mitlesen wurde mir irgendwann schlagartig klar, was ich mir doch für einen dicke Haut zugelegt habe. Ca. 90 % der getwitterten Erfahrungen kenne ich - auch aktuell. Nur: ich nehme sie oft nicht mehr wahr.

Oder besser: Ich laufe mit einem Blick durch die Welt, der giftige Pfeile abschießen kann, durch (bestimmte) Männer eiskalt hindurchblickt, ignorierend und abweisend. Ich habe Ohren, die sich bei anzüglichen Witzen zuklappen. Ich habe eine Körperhaltung, die große Abwehr signalisiert. Nicht, dass ich glaube, dass mich das komplett schützt. Aber es kommt auch nicht mehr so viel bei mir an. Ich will das nicht.

Und das, was durchdringt, spielt sich oft in einem “Zwischenbereich” ab, ich weiß nicht, wie ich das besser ausdrücken soll. Es sind diese Worte, Blicke, Gesten, oft nur sekundenlang, oft mit einem Lächeln, die mit einer Zweideutigkeit daherkommen, dass ich meiner Wahrnehmung manchmal nicht traue. Was war das denn eben? Hat der das ernst gemeint? Mit einer Zweideutigkeit, die immer einen Ausgang zulässt: Stell dich nicht so an, war noch nichts! Es sind die zotigen Sprüche, die doch witzig gemeint sind, du Spaßbremse. Achtung, die Cloudette, jetzt müssen wir aufpassen, was wir sagen. Hahaha.

Bei den deutlich-Arschloch-Sexisten habe ich oft nicht so ein Problem, weil ich hier wütend werden kann und mich wehre. Ein Ex-Kollege spricht deshalb kein Wort mehr mit mir. Mit ist es recht. Bei den subtileren, alltäglichen Sexismen bin ich oft müde. ignorant. Lächle womöglich. Und ich bin trotzdem wütend, wie ich heute morgen doch deutlich merke.

Darum finde ich die Aktion super, auch wenn sie böse Erinnerungen hochspult, mich das aufregt. Es ist gut, dass die angeblichen “Lappalien” ans Licht kommen. Ich möchte nicht mit einem Panzer durch die Welt laufen. Es reicht!

Hier zum Weiterlesen, auch zu den Hintergründen:

Antje Schrupp: Wie Lappalien relevant werden
Kiki - E13: Hört auf damit!

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Alterndes Angsthäschen.

Meine Oma wäre die beste Gruselgeschichten- und Horrorfilmdrehbuchautorin der Welt, ach des Universums geworden, hätte sie sich für’s Schreiben entschieden. Stattdessen lässt sie ihre schier unbegrenzte Fantasie im familiären Rahmen spielen:

“Oma, ich möchte vorbeikommen, hast du Zeit?” “Bei dem Wetter? Es könnte Blitzeis geben, nachher rutscht du noch aus und brichst dir die Knochen. Oder ein Gewitter! Und wie überhaupt? Doch nicht etwa mit dem Fahrrad, bei dem Verkehr! Mit der Straßenbahn? Ohohoh, was da für Leute mitfahren, man hört das ja immer wieder in den Nachrichten, von den Überfällen, gerade neulich wieder, wie war das denn gleich …. [...]“

15 Minuten und 132 Beschwichtigungen später haben wir eine Verabredung. Ich muss allerdings versprechen, diese bei hereinbrechendem Gewitter wieder abzusagen, wollene Unterwäsche anzuziehen, nicht mit gefährlichen Menschen zu sprechen und Kind2 nicht auf dem Boden spielen zu lassen, es könnte herumliegende Stecknadeln verschlucken.

Das wäre alles ja kein großes Problem, denn die Oma kommt mit ihren Ü90 ansonsten gut klar und an ihre Fantasie sind wir alle inzwischen gewöhnt. Nur: Ich bemerke so langsam an mir erschreckend ähnliche Züge. Noch ist es nicht das Blitzeis an einem milden Wintertag, aber das Kopfkino kommt bei allem möglichen in Gang und zwar deutlich früher als … nunja: früher.

So ein paar Beispiele:

+ Verspätet sich eine Freund*in oder sonst wer wesentlich, stehen Variationen von Unfällen im Drehbuch und ich telefoniere innerlich schon die Krankenhäuser ab.

+ Inlineskaten, Schlittschuhfahren, Rodeln, Ski etc. pp. führen unweigerlich zu komplizierten Knochenbrüchen. Also lieber die Finger von lassen.

+ Beim (derzeit höchst seltenen) Wandern in den Bergen bockt mein innerer Esel deutlich früher als noch vor ein paar Jahren und weigert sich, auch nur noch einen Schritt weiterzugehen wegen imaginierter Sturz- und Abrutschgefahr.

+ Ich fahre noch nicht einmal mehr Achterbahn aus Angst, das ganze Ding könnte zusammenbrechen  dass mir schlecht wird.

+ Großthema Kinder: keine Details, denn das schnürt mir manchmal richtig die Luft ab. Schon rein aus Aberglaube* bringe ich da nichts zu Papier, äh Blog. (*self-fulfilling-prophecy. Die Skeptiker*innen unter euch mögen Nachsicht haben.)

Ist das jetzt eine genetisch-soziale Vererbung bzw. Abfärbung oder eine Frage des Alter(n)s? Macht Erfahrung ängstlich - auch wenn es nicht die eigene erlebte, sondern nur gelesene, gehörte, gesehene ist? Wo führt das noch hin? Dass ich irgendwann das Haus nicht mehr verlasse?

Heute Abend bin ich übrigens zum Schlittschuhfahren eingeladen. Leider leider kann ich da nicht hin. Nicht auszudenken, was alles passieren kann. Es drohen Knochenbrüche und Blitzeis, im wahrsten Sinne des Wortes. Das alternde Angsthäschen bleibt lieber auf dem Sofa und überlegt, Horrorfilmautorin zu werden. Bei den Anlagen könnte das klappen.

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Das Figur- & Shopping-Dilemma

Es lässt sich nicht mehr vermeiden: Ich brauche neue Klamotten. Seit es Winter ist, schlage ich mich im Wesentlichen mit 2 Hosen, einem Rock und diversen Strumpfhosen durch. An sich könnte das reichen, hätte ich nicht ein herumschmodderndes Kleinkind, das dafür sorgt, dass sich das Meiste davon im Wäschekorb befindet. Und könnte ich den lieben langen Tag einfach zuhause bleiben, ginge es auch. Aber ab&zu muss ich in die Welt hinaus, womöglich sogar zu beruflichen Terminen - und da kommen Ringelstrumpfhosen und fleckige abgeschabte Hosen manchmal einfach nicht soooo gut.

Also füge ich mich und gehe am freien Freitag in die Stadt, mäßig motiviert, denn ich hasse Shoppen. Echt jetzt. Früher stöberte ich gerne durch Second Hand Läden, aber das gibt es in unserem Städtchen fast keine (komisch eigentlich), inzwischen bin ich froh, wenn ich es einfach vermeiden kann.

Laden 1, ne kleine Klitsche, die Verkäuferin bleibt 50 cm vor der Kabine stehen und begutachten mich ausführlichst. Ich sehe von vorne aus wie eine Litfasssäule, von der Seite wie eine Ente. “Na, den Po haben Sie halt, da kann man  jetzt auch nix machen. Den können Sie doch auch zeigen!”, kommentiert sie meinen kritischen Blick. Äh, ja. Aber der Rock ist toll.

Laden 2, so ein Riesenblödkaufhaus, einmal durch die Klamottenabteilung und wieder raus. Mir gefällt mal wieder schlicht nichts.

Laden 3: Zwei Spiegel in der Kabine. Damit man sich auch von hinten, links und rechts sieht. Uargh. Seit wann sind meine Oberarme so zerdellt? Und wo kommen die ganzen Röllchen her? Ich zwänge mich in ein paar Oberteile und beim Ausziehen stehen mir die Haare wie ein Heiligenschein vom Kopf. Klar: 100 % Plastik. Made in Pakistan womöglich. Nur steht das komischerweise nirgends, ich dachte, das Produktionsland muss ausgewiesen werden? Habe ich was verpasst? Ich kaufe nichts. Schon gar nicht so einen Schrott, der womöglich unter beschissenen Produktionsbedingungen von Frauen und Kindern hergestellt wurde.

Laden 4 - 6: Das gleiche Angebot. Plastikkram. Kurze Pullöverchen, bei denen Größe 44 wie die Kinderausgabe aussieht. Röhrenjeans. Röhrencordhosen, Röhrenirgendwashosen. Die Dinger sahen schon in den 80ern scheiße an mir aus, das hat sich nicht geändert. Der gleiche Umkleidekabinenfrust.

Laden 7: Ich bin inzwischen soweit, dass mir nichts gefällt, weil ich mir nicht gefalle. Mir reicht’s.

zurück zu Laden 1: Den Rock noch einmal anprobieren, inzwischen ist eine andere Verkäuferin da. “Wir habe’ nur gute Qualität, wisse Sie. Und ich hab auch Po. Hat man keinen, sieht’s auch scheiße aus. Aber Rock steht Ihne!” Was haben die nur alle mit meinem Hintern? Tsss. Ich nehme den Rock. Teddystoff, schwarz. Super gemütlich. Passt gut zu Ringelstrumpfhosen. Achja.

Shoppen - ein Dilemma auf mehreren Ebenen:

Ich habe keine Lust dazu, es muss aber wohl oder übel manchmal sein. Wer hier schon eine Weile mitliest, weiß vielleicht, dass ich es mit DIY leider leider nicht so habe. Allerdings gefallen mir 99,6 % der Klamotten nicht, die restlichen 0,4 % passen i.d.R. nicht. Und dann sind da noch die Produktionsbedingungen, siehe oben.

Außerdem dieses Figurendilemma: Ich finde Körpernormierung + Schönheitsideale einfach nur kacke. Und ich lasse auch keine Gelegenheit aus, das herauszuposaunen. Körperliche Vielfalt ist mein Ideal. Wenn es aber um mich selbst geht, falle ich regelmäßig in stereotype Bewertungsmuster zurück. Ich krittel an mir rum, bin unzufrieden und die 5 kg, die ich mir im letzten Jahr zugelegt habe, sind bei mir selbst ganz und gar nicht ok. Viel darüber lesen, diskutieren, feministische Überzeugungen haben schützt nicht vor Selbstverurteilung (und abschätziger Bewertung anderer, das hat aufZehenspitzen kürzlich gut beschrieben). Der ganze Kram sitzt einfach sehr tief.

Normierung bringt's nicht

Sähen alle aus wie eine Ente, wär’s auch langweilig.

Dem Liebsten schreibe ich von unterwegs eine Frustmail. Er antwortet: “Wieso nicht mal als Säule durch die Gegend wandeln? Übrigens ist das Paket da.”

Paket?? Das ist mein neues Notebook! Yeah. Nichts wie nach Hause! Wer braucht schon Klamotten, wenn es Computer gibt. Außerdem habe ich jetzt ja diesen Rock. Immerhin.

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Schlaf Kindchen schlaf … jetzt endlich!

Jeden Abend das Gleiche: Nach einem kleineren Zähneputz-Kampf in Variationen geht Kind2 ins Bett, meist einigermaßen freiwillig. Ich lege mich daneben, singe ein paar Liedchen, dann liegt es da, krault mir im Haar, blubbert vor sich hin, singt, Schnuller rein, Schnuller raus, Fläschchen rein, Fläschchen raus etc. pp, dann das Ganze wieder von vorne. Es dauert ewig, bis ihm die Äuglein zufallen, zumindest gefühlt ewig, die Minuten rinnen dahin, wertvolle Feierabendminuten. Ich übe mich derweil im innerlichen Om-Singen, nutze die Zeit, um ruhig zu werden, nichts zu denken oder irgendwas zu denken, bloß nicht ungeduldig werden, denn das spüren diese kleinen Mons.. Engelchen ja sofort, und dann geht erfahrungsgemäß gar nichts mehr.

Das funktioniert etwa 20 Minuten, je nach Stresslevel und Ruhebedürfnis meinerseits, dann beginnt das innere Hadern und 20 min später quillt mir langsam der Rauch aus den Ohren. “Schlaf jetzt e.n.d.l.i.c.h”. Tja. Damit beginnt dann die eher unproduktive Phase. Nach einer Stunde torkele ich aus dem Zimmer, geblendet vom Licht und fest entschlossen, morgen mit dem Einschlafprogramm zu beginnen. Aber echt jetzt.

Denn natürlich weiß ich um diese “das Kind kontrolliert schreien lassen”-Schlafbibel. Erfahrungsberichte von Freund*innen lassen kaum Zweifel am Erfolg: 1 - 2 Wochen Schreistress, dann ist Ruhe im Karton, das Kind wird einfach ins Bett gelegt und schläft irgendwann von alleine ein. Grandios.

Nur, ich komme mir vor wie die Monstermama*, wenn ich aus dem Zimmer gehe und ein herzzerreißend brüllendes Kind zurücklasse. Ein Kind, das mit einem bittenden “da” neben sich tippt, um mir zu signalisieren, dass ich mich dazu hinlegen soll. Das einsam und verlassen im dunklen Zimmer … traumatisiert, frustriert … achja. Dann frage ich mich, warum ich ihm nicht einfach die abendliche Einschlafstunde schenke, ohne Hadern, weil er sie vielleicht einfach braucht.

Und gleichzeitig ist da die Frage, ob das begleitete Einschlafen ein Bedürfnis ist, oder bereits eine Gewöhnung, inzwischen Verwöhnung, die wir nun wieder auflösen sollten. Denn ich habe keine Lust, noch ein 5 jähriges stundenlang beim Einschlafen zu begleiten. Ich kann mich zwar nicht mehr daran erinnern, wie das so im Detail bei Kind1 war, aber bei Freund*innen habe ich manchmal schon innerlich den Kopf geschüttelt, wenn sie ewig nicht mehr aus dem Kinderzimmer auftauchten. Das ist jetzt vermutlich die Rechnung, Blöd-Kosmos, du..

Frl. Rabatzki hat kürzlich einen schönen Text über das Verwöhnen geschrieben. Für ein Baby würde ich das alles unterschreiben. Aber wenn es größer wird? Da finde ich es zunehmend schwieriger, Bedürfnisse von Verwöhnung zu unterscheiden. Was das Kind alleine kann, soll es auch alleine tun (dürfen). Außerdem: Wie schwer wiegt mein Bedürfnis nach Ruhe und Erholung nach einem langen Tag? Mama-Dilemma. Papa-Dilemma. Wer gute Tipps hat, gerne her damit.

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Ein sehr schönes Abendritual hat sich z. B. Lotte(r)leben ausgedacht, die sich mit ihrem schlafrenitenten Kind im Traum verabredet. Das behalte ich mal im Hinterkopf bis Kind2 ein bisschen größer ist, noch ist das wohl etwas zu abstrakt.

* von Krähenmutter entnommen

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Aus Liebe zum Widerspruch

Die Wissenschaftlerin Alice Stewart fand in den 1950ern heraus, dass bereits einmaliges Röntgen in der Frühschwangerschaft das Krebsrisiko bei Kindern verdoppelt. Eine für sie selbst und die damalige Ärzt*innenschaft ungeheure Erkenntnis, schließlich war Röntgen zu dieser Zeit der große Hype und die Grenzwerte galten als unbedenklich. Ihr schlug ein äußerst eisiger Wind ob ihrer Kritik an dieser faszinierenden Technologie entgegen - und trotzdem ließ sie nicht locker und nahm den Kampf auf. Er sollte 25 Jahre dauern, erst dann wurde das Röntgen von Schwangeren eingestellt, das bis dahin einem Kind pro Woche das Leben gekostet hatte.

Mit diesem Beispiel leitet Margaret Heffernan ihre großartige Rede über Konflikte und den Mut zu widersprechen ein. Sie packt so unglaublich viel Kluges hinein, dass ich mir das Transkript an die Wand nageln möchte.

Wie oft scheue ich selbst Konflikte - aus Angst sie zu verlieren, mich lächerlich zu machen, nicht gemocht zu werden. Sei es in Beziehungen, bei der Arbeit oder in Organisationen. Konflikte sind aber notwendig, um Entwicklungen voranzubringen, Dinge zu verbessern, an uns selbst zu arbeiten. Wie sehr hat mich zum Beispiel kürzlich die im ersten Moment eher unangenehme Kritik einer Freundin weitergebracht, die sich die Zeit nahm, sich mit meiner Frage, meinem Anliegen auseinanderzusetzen und mir ehrlich ihre Meinung zu sagen, statt mich mit einem: “Ne, du, ist alles super” zu beruhigen.

Konflikte sind wichtig, um an der Gesellschaft zu arbeiten - und um, so Heffernan, Katastrophen zu verhindern, wie der oben geschilderte Fall zeigt. Sie sind so gesehen nichts zu Vermeidendes, sondern etwas unbedingt Nötiges, eine Verpflichtung. Mit Säbelwetzen hat das nichts zu tun. Und auch nicht mit Missionieren, das ist, finde ich, nämlich die Pest.

Voraussetzung für Konflikte ist ein wirkliches Interesse, an der Person, an der Sache, am Thema. Und somit eine Form der Liebe. Weil ich mir nur für das, was mir wirklich wichtig ist, die Zeit und Kraft zur Auseinandersetzung nehme. Heffernan bezeichnet Konflikte als”gemeinsames Denken” und plädiert dafür, diese Fähigkeit und den Mut, sie auch anzuwenden, möglichst frühzeitig zu vermitteln, also schon Kinder darin zu stärken, Autoritäten zu widersprechen.

ca. 13 Minuten, deutsche Untertitel. Via Nesselsetzer.

Das gefällt mir ausgesprochen gut. Nur, was heißt es konkret, überlege ich mir? Kinder lernen am Beispiel - und ich kann ihnen eigentlich nichts beibringen, was ich nicht selbst auch beherrsche. Also sollte ich erst mal bei mir selbst anfangen: die eigene Meinung zur Diskussion stellen, Konflikte eingehen, für Überzeugungen einstehen. Das erfordert Mut, die Überwindung von Angst.

Es heißt, mich selbst und die Kinder herauszufordern, unsere Meinungen zu begründen, Argumente zu finden, abzuwägen. Das geht natürlich verbal erst ab einem bestimmten Alter, klar. Und es heißt auch, sie nicht abzuschotten von Konflikten, die ich als Eltern, als Freundin, als Tochter etc. führe (bzw. führen sollte - das ist noch ein ausbaufähiges Übungsfeld).

Und letztendlich heißt es aber auch, einen Konflikt nicht eingehen zu müssen, wenn mir die Person, Sache, Idee die Zeit und Kraft nicht wert ist. Wenn nicht die Angst der Hemmschuh ist, sondern tatsächlich die fehlende Liebe oder Leidenschaft. Die Kunst liegt vermutlich darin, das eine vom anderen zu unterscheiden.

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Empfehlenswert und passend zum Thema: “Die Wahrheit wird euch frei machen” - ein kleiner Leitfaden für mehr Ehrlichkeit im Alltag. Da fängt es nämlich an.

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Jubel, Trubel, Dankeschön

In der Zwischen-den-Jahren-Zeit ging es internetmäßig ein bisschen ruhiger zu im Hause cloudette&co,  dafür tobte real live mitunter der Bär. Weihnachten, Familie. Ein Kind2, das Riesensprünge macht, plappert, Stühle durch die Gegend schiebt, mit Umschüttexperimenten Sofa, Teppich, Bad unter Wasser setzt. Ein Kind1, das sich vom Feiern zwischen den Wasserlachen auskuriert und für die nächste Party wappnet. Besuch, Freund/innen, Silvester. Alles zusammen ein großartiger Jubeltrubel.

Gute Vorsätze zum neuen Jahr gibt es keine, weil es erfahrungsgemäß sowieso nicht klappt, wenn ich mir ein generisches Weniger-Süßigkeiten, Mehr-Sport(bzw. überhaupt), Kreativer-sein vornehme. Dafür ein großes Dankeschön:

An euch, die ihr hier mitlest, immer wieder hier vorbeischaut! Ich freue mich total über die treuen Leser*innen, die Stippvisiter*innen, über die stillen Beobachter*innen, über diejenigen, die hier manchmal oder oft kommentieren. Über Eure kritischen Nachfragen, die lieben Worte. Über die “Gefällt-mirs”. Über die Verlinkungen, über … achja. Kurz gesagt:

♥-lichen Dank euch allen und ein glückliches neues Jahr!

dankeschön

P.S.: cloudette gibt es auch auf Facebook, vielleicht schaut ihr ja mal vorbei und drückt auf diesen kleinen hübschen Gefällt-mir-Button. Ab 30 Likes wird die Statistikfunktion freigeschaltet - und spätestens dann gründet der Liebste eine Selbsthilfegruppe für geschädigte Bloggerinnen-Angehörige. Und wenn ihr schon dabei seid, geht doch gleich mal zu Alsmenschverkleidet weiter …

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